Jugendlichkeit

 

In meiner Erörterung verwende ich der sprachlichen Einfachheit halber nur die weiblichen Pesonenformen; selbstverständlich sind die männlichen immer miteinbezogen. 

 

Jugendlichkeit spiegelt sich im Aussehen und der Gesundheit wieder. Diese entspricht der heutigen Gesellschaft. Ab einem bestimmten Alter möchte man sich wieder „verjüngen“ (Wenn man z.B. davon ausgeht, dass dieses Alter ab 40 beginnt. Meine Sichtweise bezieht sich hier vor allem auf Frauen). Man wünscht sich, nicht mehr so alt zu sein wie man ist. Will sein Ansehen bewahren, welches durch die äussere Schönheit gestärkt wird. Man will sich und die Gesellschaft täuschen. Dieses Denken wird von der Werbung beeinflusst. Überall lächeln hübsche und junge Modells von Plakatwänden, flimmern über den Bildschirm. Sie geben so die heutigen «Vorbilder» ab, welchen die Gesellschaft entsprechen sollte. Durch diese «Vorbilder» geprägt, die die Ideale der Menschen verkörpern, entsteht das heutige Wunschdenken. Man will auch so aussehen und immer jung bleiben. Der Mensch strebt immer höhere Ideale an, nie ist er zufrieden mit dem was er hat und so entstand der heutige Konkurrenzkampf. Frauen und Männer vergleichen sich mit den «Vorbildern» auf den Plakaten. Sie fühlen sich alt. Wenn sie zu Hause in den Spiegel blicken, bemerken sie sofort den Unterschied. Sehen an Orten runzelige Haut, an welchen die Modells keine hatten. Indem sich Frauen schminken, sozusagen ihre Falten überschminken, erhalten sie wieder ein jugendliches Gesicht. Doch sie fragen sich, wie sie auch wieder so jung aussehen können ohne Schminke zu benutzen. Solche Frauen, aber auch Männer, wählen ihre Kleidungsstücke oft so aus, dass sie den Stil der Jugendlichen übernehmen. Viele greifen zu sogenannten «Wundermittel», angepriesenen im Fernsehen von einer schönen Verkäuferin. Jene versprechen, damit wie neu geboren auszusehen, feine und weiche Haut zu erhalten und vieles mehr. Die Angesprochenen kaufen diese Mittel für teures Geld und erhoffen sich Verjüngung. Tritt diese nicht ein, kauft man ein nächstes Produkt und wiederum ein nächstes. Hiermit verdient die Kosmetikindustrie ihre Millionen. Mit diesen Millionen produziert sie wieder Werbung, um die Unzufriedenheit jener Menschen mit ihrem Aussehen anzusprechen und gleichzeitig ihre eigenen Produkte als Lösungen anzupreisen. So schliesst sich der Kreis. Die Menschen wollen ihren Idealen entsprechen und die Werbung stellt immer neue, noch schönere und jüngere Ideale auf. 

 

Andere hingegen treiben aktiv Sport, wie zum Beispiel Aerobic oder Joggen. So halten sie sich nicht nur fit, sondern wehren auch teilweise den Alterungsprozess ab. Dadurch, dass sich ihre Gesundheit erhöht, steigt auch die Akzeptanz gegenüber dem Altern. Sie sehen sich als sportliche und gesunde Menschen, die nicht mehr um die 20 oder 30 sind. Fühlen sich nicht nur aktiv im Sport, sondern auch im Leben. 

Manche jedoch machen sogar Diäten und «hungern» den Idealen nach. Ernähren sich nur noch von «Slim Line-Produkten», Gemüse oder sonstigen Schlankmachern. Sie streben die idealen Körpermasse an. Wollen  die kleinstmögliche Kleidergrösse.

 

Irgendwann, wenn sich das Alter nicht mehr verstecken lässt, gibt es noch zwei letzte Optionen. Die eine wäre eine Schönheitsoperation, welche vorallem bei älteren, meist reichen, Frauen gewählt wird. Sie können sich ihr Gesicht neu modellieren lassen. Ja sogar, äusserlich betrachtet, eine «ganz andere» Person werden. Ihre Persönlichkeit aber können sie sich nicht so einfach «wegoperieren». Diese bleibt bestehen und kann ihr wahres Alter verraten. Die andere Option wäre, sich mit dem Alter anzufreunden und den Körper so zu akzeptieren wie er ist. Welche der beiden Optionen die bessere ist, kann man nicht sagen. Doch das Alter anzunehmen braucht sicherlich mehr Mut und Selbstbewusstsein in der heutigen Gesellschaft.

 

Warum ist Jugendlichkeit so begehrt? 

Die Jugend ist das Vorzeigemodell der nächstliegenden Zukunft. Viele ältere Menschen sehen in ihr die Verkörperung der Zukunft. Wieso? Die Jugend wird im Lexikon als die Zeit zwischen dem 12. und 25. Lebensjahr beschrieben. Die Zeit zwischen dem Beginn der Pubertät und dem Ende dieser biologischen Reifung. Es ist die Zeit, in der eine Jugendliche zu einer Erwachsenen wird. Wer also über 25 ist, wird nicht mehr zur Jugend gezählt. Zu was dann, fragt man sich? Der Mensch, bzw. der Körper, ist nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt. Denn wenn man alt ist treten oft Altersschwächen wie zunehmende Ermüdbarkeit, Nachlassen der körperlichen Leistungsfähigkeit und Nachlassen des Gedächtnisses auf. Die Zeit zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr, ist eine Zeit der Vorbereitung auf das Alter. In dieser Zeit entscheidet man sich häufig, ob man Kinder und ein eigenes Heim möchte oder sich ganz der Ausbildung und dem Beruf widmet. Denn in der heutigen Gesellschaft ist man mit über 30 Jahren schon «zu alt», um Kinder zu haben. Wenn man Kinder hat, erlebt man den Alterungsprozess viel intensiver. Man sieht das Wachstum und die Entwicklung des Kindes und sieht sich selber, nebenan stehend, immer älter werden. Wenn man sich ganz auf den Job konzentriert, bemerkt man den Prozess des Älterwerdens vielleicht später, da man nicht so «verbraucht» ist. In der Zeit von 30 bis 40 Jahren bewegt man sich immer mehr dem Alter zu, schreckt eventuell sogar schon vor dem 50. Geburtstag zurück. Sicherlich dann wird man die Probleme bemerken, die einem das Alter bei einem Wechsel der Arbeitsstelle bescheren kann. 

 

Ich denke, dass bei der Auswahl von neuen Angestellten, bei Vorstellungsgesprächen, nicht nur die Erfahrung des Bewerbers auf jenem Gebiet der Arbeit gewertet wird. Nein, auch das Alter hat grossen Einfluss auf die Wahl. Meistens werden junge Menschen bevorzugt, da sie einen tieferen Lohnansatz haben und noch aufsteigen können. Hinzu kommt das Allgemeinwissen und das Beherrschen von neuartigen Techniken wie zum Beispiel den Computer oder das Internet. All dies gibt Pluspunkte bei der Auswahl der zukünftigen Mitarbeiterin. Wissenschaftlerinnen beobachteten das Auswahlsverfahren und stellten fest, dass sogar die Grösse der Person eine entscheidende Rolle spielt. Grosse Personen wirken selbstbewusster und einschüchternder als kleine und erhalten so «Zusatzpunkte». Sollten sich deshalb Kleinwüchsige «strecken» lassen? Besser nicht! Sie sollten eher ihre Vorteile hervorheben und diese noch durch Beispiele herausstreichen.

 

Oft will man Stellen längerfristig besetzt sehen und so lieber jüngere Menschen nehmen. Deshalb sollten ältere Personen auch ihre Vorteile besonders herauskehren. Viele junge Menschen sind nicht sehr verantwortungsbewusst und gleichgültig über ihre Umwelt. Dies kann die Chance für Ältere sein, da die Jüngeren bei besseren Jobangeboten flexibler sind und gerne die Stelle wechseln. Auch lockt das grosse Geld viele junge Personen in irgendwelche Berufsgebiete, die sie gar nicht interessieren.

 

Man verbindet in der heutigen Zeit Jungsein mit Erfolg. Doch dabei vergessen wir, dass in der heutigen, wirtschaftsabhängigen Gesellschaft ein Lehrstellenproblem herrscht. Es gibt viel zu wenig Lehrstellen für alle Schweizer Jugendlichen mit Sekundar- oder Realabschluss. Auch die Arbeitsplätze nach einem Studium sind gering und müssen hart erkämpft werden. Oft gewinnt die Bessere, die mit dem besten Abschluss. Auch hat gerade eine Studie gezeigt, dass die Arbeitgeber, bei Bewerbungen, auf die Namen der Bewerberinnen achten. Bei der Studie hat man Bewerbungen mit gleichem Inhalt an Firmen geschickt, nur die Namen wurden geändert. Waren es zum Beispiel türkisch oder jugoslawisch klingende Namen, hatte die Betreffende kaum eine Chance. Man wählte lieber deutsche und schweizerische Namen. Als ob der Name für die Kompetenz der Person steht. 

 

Auch wird man, wenn man als jung gilt, für schön und «ganz» gehalten. Was ist aber mit Jugendlichen, die behindert sind, oder denen ein Bein fehlt? Zählen diese nicht mehr zu den Leuten mit Erfolgsaussichten? Solche Menschen können es sehr schwierig in ihrem Leben haben, da sie beweisen müssen, dass auch sie intelligente und liebenswerte Menschen sind. Und doch gibt es viele, die es geschafft haben in der heutigen Gesellschaft aufzusteigen und sich nicht abwerten lassen durch ihre «Behinderung». Wie zum Beispiel Michel Petrucciani, ein weltberühmter Jazzpianist, welcher im Rollstuhl sitzt. 

 

In der heutigen Gesellschaft muss man, so denke ich, nicht nur Leistung, Wissen und Erfahrung besitzen, wenn man etwas erreichen will, sondern sollte auch den Idealen der Menschen, bzw. der Werbung entsprechen. Dies empfinde ich als Demütigung, denn so wird die westliche Menschheit nach einer täuschenden Regel aufrechterhalten! Es ist ein reines Glücksspiel, in dem die Punkte nach Schönheit und Ansehen  und nicht nach Leistung und Wissen verteilt werden. Ein typisches Beispiel dafür ist die Wahl von Arnold Schwarzenegger zum Gouverneur von Kalifornien. Da er wegen seiner Filme berühmt ist, erhielt er im Wahlkampf mehr Stimmen, trotz mangelndem Wissen in Sachen Politik. 

 

Wenn man jung ist, hat man das Leben vor sich. «Strotzt vor Kraft und Schönheit.» Man verkörpert das Idealbild des Menschseins. Dadurch wird man interessant und begehrenswert. Wenn man aber alt ist, hat man das Leben hinter sich und den Tod vor sich. Man kann abhängig und pflegebedürftig sein. Oft gilt man als uninteressant und langweilig, als verachtungswürdig. In seinem Leben durchlebt der Mensch jedoch beides. Es ist der ganze Prozess des Lebens, welcher durch die Idealisierung des einen Zustandes, den anderen abwertet. Das Leben ist ein Prozess der beweglich bleibt und fliesst. Vom Säugling, der auf die Eltern angewiesen ist, über das Kind zum Jugendlichen und zum Erwachsenen, der unabhängig ist. Von der Elternschaft schliesslich zum Alter, in dem man von anderen Menschen abhängig ist. 

 

Für mich ist dieses Thema noch nicht aktuell. Ich frage mich aber, wann und wie dieses Thema für mich aktuell wird. 

 

 

geschrieben 2003 als Aufsatz im Gymnasium

 

Wow, ich staune gerade über meine teils sehr klischeehaften Beschreibungen von damals und die daraus abgeleiteten Hypothesen. Klar ist, dass ich damals schon eine Wertung im System Wirtschaft und Mensch-Sein bemerkt habe. Diese hat sich aus meiner Sicht noch nicht wesentlich zum Besseren gewandelt. Auch bin ich baff darüber, dass ich damals den Alterungsprozess beginnend ab 40 Jahren beschrieben habe und wie ich ihn gesehen habe. Heute, 5 Jahre vor meinem 40. Lebensjahr, habe ich nicht das Gefühl nahe an diesem von mir beschriebenen Prozess zu sein. Im Gegenteil, ich erlebe eher meine Mamma mit ihren 66 Jahren in diesem Prozess. Dies meine ich nicht in Bezug auf das Jung-Sein-Wollen, sondern auf die Thematik des sich Bewusstwerdens, den Tod vor sich und einen grossen Teil des Lebens hinter sich zu haben. Mein damaliges Erleben des Umgangs der Jugend mit ihrer Umwelt unterscheidet sich von meinem heutigen Erleben. Die heutige Jugend nehme ich als sehr interessiert an ihrer Umwelt und dem Übernehmen von Verantwortung wahr. Diesen Aufsatz habe ich mit 17 Jahren geschrieben und ich bin fasziniert davon, mit welchen Augen ich damals meine (Um-)Welt gesehen habe. Vor allem diesen Satz: «Es ist der ganze Prozess des Lebens, welcher durch die Idealisierung des einen Zustandes, den anderen abwertet.» finde ich so toll, den er beschreibt einen Umgang mit Unterschieden, den ich bis heute erlebe.