Vereinsamung
In unserer Massengesellschaft vereinsamen viele Menschen.
Welche Ursachen sehen Sie? Wie könnte man dieser Vereinsamung begegnen?
Unsere Gesellschaft ist hoch entwickelt, doch sie ist fast nicht mehr im Stande sich um sich selber zu kümmern. Die Wissenschaften entwickeln sich stetig weiter, daneben aber verkümmert der Mensch. Er weiss nicht mehr, was er mit sich anfangen soll, geschweige denn mit anderen Menschen. Deshalb entwickelt die Wirtschaft immer mehr und mehr künstliche Welten. Diese sollen dazu dienen uns nicht vereinsamen zu lassen. Immer neue Technikgeräte gelangen auf den Markt. Diese ziehen uns in ihren Bann, da wir sie gebrauchen, ja sogar bedienen können und müssen. Sie helfen uns dabei unsere Einsamkeit zu vergessen. Doch wir Menschen bemerken gar nicht, dass wir uns so von den anderen Menschen entfernen. Wir vergessen immer mehr, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen müssen.
Früher war es alltäglich, dass die ganze Familie unter einem Dach lebte. Die Familienmitglieder waren für einander da. Es gab sehr viele Grossfamilien, so konnten die Geschwister miteinander spielen und brauchten keine teuren Spielgeräte. Die Familie sorgten sich auch um die alten Leute, um ihre Eltern. Heute jedoch gibt es kaum noch solche Grossfamilien. Immer mehr Kinder wachsen alleine auf und/oder werden nur von einem Elternteil erzogen. Als Kompensation für das Alleine Aufwachsen, wird den Kindern oft ein technisches Gerät geschenkt. Die alten Menschen werden im Altersheim versorgt und haben fast keinen Zugang mehr zu technischen Geräten. Sie kennen schon bald nicht mehr die neuesten Entwicklungen und finden sich so auch nicht mehr in der heutigen Welt zurecht.
Hier liegt das grosse Problem. Für jeden technischen „Schnick-Schnack“ gibt es eine Bedienungsanleitung beim Kauf dazu. Doch man erhält nirgends eine für den Menschen! Tief in unserem Innern, viele würden wahrscheinlich sagen in unserer Seele, der Heimat der Gefühle, liegt versteckt eine kleine „Anleitung“, wie wir uns unseren Mitmenschen gegenüber zu verhalten haben. Diese inneren Wegweiser werden von unseren Genen bestimmt, zudem gibt es Richtlinien die durch Erziehung und alltägliche Einflüsse genährt werden. Diese Anleitung befolgen Kinder instinktiv und ergänzen sie durch ihre Erfahrungen.
Doch was passiert jetzt, wenn wir diesen Kindern ein Fernsehgerät in die gute Stube stellen? Sie werden sich anfänglich nicht gross um diesen Kasten kümmern, immer noch ins Freie gehen und den Kontakt mit anderen Kindern pflegen. Früher oder später jedoch wird diese Flimmerkiste immer mehr im Mittelpunkt ihrer Freizeit stehen. Sie werden bald nicht mehr nur aus reinem Interesse an einer Dokumentation den Fernseher anschalten, sondern damit beginnen, einfach wahllos die Programme durchzuzappen. Viele wissen nicht mehr was es ausserhalb dieser Fernsehwelt gibt, wie sie sich auf andere Weise unterhalten können. Oft bestimmen die Abfolgen verschiedener Serien den Tagesablauf.
Leider ist es in vielen Schweizer Familien Alltag, während dem Mittag- und Abendessen den Fernseher laufen zu lassen. So kann kein Gespräch mehr stattfinden. Es gibt kein gemütliches miteinander „Schwatzen“ mehr. Jeder ist für sich alleine, obwohl man evt. zu viert an einem Tisch sitzt. Der Fernseher wird zum einseitigen „Gesprächspartner“, er übernimmt für den Zuschauer den Dialog.
Zum Glück gibt es aber auch noch Familien in denen es keinen Fernseher gibt. Oder die Kinder haben gewisse Regeln zu befolgen. Zum Beispiel wie lange sie pro Tag fernsehen dürfen. Welche Sendungen für die Kinder geeignet sind, usw. In solchen Familien haben die Kinder einen guten Umgang mit der heutigen Medien- und Konsumwelt. Sie haben den Bezug zur Wirklichkeit noch nicht verloren und finden sich vielleicht besser in der Welt zurecht.
Wenn man ein Kind aus einer solchen Familie mit einem Kind aus einer „Fernsehfamilie“ zusammen bringen würde, so wäre letzteres überfordert. Ersteres jedoch würde sich dem anderen Kind nähern und es zum Dialog auffordern, es wüsste sich aber auch alleine zu unterhalten.
Durch verschiedene Geräte werden nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene beeinflusst. Hier einige solcher Geräte, wie zum Beispiel Spielkonsolen, Discmans, Computer, Handys und Autos. Anstatt unsere Zeit einem anderen Menschen zu widmen, beschäftigen wir uns mit diesen verschiedenen Geräten, investieren unsere Zeit in sie und vergessen darüber, dass dies nur „tote Wesen“ sind. Wir glauben, dass wir ohne diese nicht, oder nur halb so gut wie vorher leben können. Wir denken, dass uns etwas in unserem Alltag fehlen würde, bemerken aber den Verlust des Zusammenseins mit anderen Menschen nicht. Dabei schränken wir unbemerkt unsere sozialen Fähigkeiten ein. Wenn wir dann irgendwann mal wieder auf die Gesellschaft von anderen Menschen angewiesen sind, zum Beispiel im Altersheim, wird uns einfach ein Fernseher ins Zimmer gestellt. So vereinsamen wir immer mehr. Wir lassen „unsere Bedienungsanleitungen“ einfach unangetastet, anstatt uns diese zu Herzen zu nehmen und uns von ihnen führen zu lassen.
Jetzt ist dies noch nicht bei allen Menschen der Fall, denn viele wissen noch wie sie mit einem anderen Menschen umgehen müssen, wie sie ihn behandeln sollten. Aber es könnte schon sehr bald umgekehrt sein und evt. würde sich der Satz, dass die Menschheit von Robotern, bzw. technischen Geräten geleitet wird, bewahrheiten. Wenn wir aber dieser Vereinsamung entgegen wirken wollen, so dürfen wir uns nicht von diesen Geräten unseren Tagesablauf bestimmen lassen, ja sie sogar unseren Mitmenschen vorziehen. Wir müssen den Teufelskreis der Werbung mit ihren ewigen Angeboten an solchen Geräten ignorieren und uns selber bestimmte Regeln auferlegen, wie wir mit diesen Geräten den Umgang pflegen. Wir müssen die Geräte „beherrschen“ und es nicht zu lassen, dass diese uns „beherrschen wollen“. Wenn wir dies schaffen, dann werden wir Menschen auch weiterhin einen guten Umgang untereinander haben. Wenn wir es aber zulassen uns von den Geräten befehligen zu lassen, dann vereinsamen wir. Der Mensch wird sich nur noch um sich selber und seine Geräte, welche ihn von der realen Welt ablenken, kümmern. Es wird aber hoffentlich nie der Fall sein, dass dies in grossem Masse auftreten wird.
geschrieben 2003 als Aufsatz im Gymnasium
Ich staune gerade selbst über meine Gedanken von damals. Teils ein bisschen wirr und teils auch heute (2021) noch sehr aktuell. Zumindest den Fokus auf die technischen Geräte ist interessant, da habe ich noch von Fernsehgeräten und Discmans geschrieben, heute wären es wohl Netflix, Spotify, YouTube, Instagram und TikTok. Was für Medien werden wohl in den nächsten Jahren dazukommen, die uns von uns selbst ablenken? Und wird es auch neue Entwicklungen geben, die uns eher zueinander führen als voneinander entfremden? Ich bin gespannt.